Navigation überspringen

Oberlandesgericht Stuttgart weist Unterlassungsklage gegen Holztrocknungsanlage in Seewald zurück

Datum: 31.03.2014

Kurzbeschreibung: 

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz von Dr. Martin Würthwein über einen Rechtsstreit wegen Geräusch- und Geruchsemmissionen einer Holztrocknungsanlage in Seewald-Schorrental entschieden.

Die Beklagte betreibt in Seewald-Schorrental am Ufer der oberen Nagold ein seit 1902 existierendes Sägewerk. 2002 wurde dort eine Holztrocknungsanlage in Betrieb genommen, die mit Holzhackschnitzeln beheizt wird. Der in einem hangaufwärts etwa 40 Meter entfernt wohnende Kläger macht geltend, dass die Ventilatoren zu laut sind und erhebliche Geruchsbelästigungen wegen der Verwendung zu feuchter Hackschnitzel entstehen, die im Tal auch zu Nebelbildungen führen. Das Landgericht Rottweil hat die Klage nach einem Ortstermin und der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die Grenzwerte der einschlägigen Richtlinien seien eingehalten. Der Kläger hatte mit seiner Berufung insbesondere geltend gemacht, dass keine Langzeitmessungen durchgeführt wurden, sondern nur theoretische rechnerische Werte für das Gutachten verwandt wurden. Seine Berufung hatte keinen Erfolg.

Gemäß § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer bei Beeinträchtigungen seines Eigentums Unterlassung verlangen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Geräuschen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen aber nicht verbieten, wenn die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt von der Beurteilung eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB liegt eine nur unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel vor, wenn die in Gesetzen, Rechtsverordnungen oder bestimmten auf § 48 BImSchG beruhenden Verwaltungsvorschriften festgelegten Grenzwerte nicht überschritten werden.

Der Senat hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und das Urteil des Landgerichts Rottweil bestätigt. Die Geruchsimmissionsrichtline und die TA Luft geben nach den Feststellungen des Sachverständigen vor, dass Geruchsbelästigungen bis 15 % der Jahresgesamtzeit als unwesentlich anzusehen sind. Langzeitmessungen sind nicht möglich, da es eine technische Möglichkeit zur Durchführung einer solchen Messung mittels einer „künstlichen Nase“ nicht gibt. Um messtechnisch verwertbare Ergebnisse zu erhalten, müssten statistisch gesehen an 104 Tagen Versuche mit 10 Probanden durchgeführt werden, bei denen keine Einschränkungen im Riechvermögen vorliegen. Solche Versuche mit Testpersonen sind zur Ermittlung der Grenzwerte jedoch ungeeignet, weil sie nicht den Vorgaben der TA Luft und der Geruchsimmissionsrichtline entsprechen, durch die eine rechnerische Ermittlung des maßgeblichen Werts vorgegeben wird. Soweit der Kläger ausführte, mit dem Wasserdampf entwichen auch flüchtige Begleitstoffe, die dem Rauch einen beißenden Geruch verliehen, hat der Sachverständige dargelegt, dass die Rauchschwaden für sich genommen keine Geruchsbelästigung verursachen.

Der Sachverständige hat die Lärmimmissionen ermittelt, indem er die Emissionen auf dem Gelände der Beklagten gemessen hat und daraus mit einem Computerprogramm berechnet hat, welche Immissionen daraus auf dem Grundstück des Klägers resultieren. Er kam zu einem Schallpegel von 41 dB (A), der unter dem Grenzwert von 45 dB (A) liegt. Es ist nicht möglich, die Immissionen auf dem Grundstück des Klägers zu messen, weil bei der Messung nur anlagenbedingte Geräusche berücksichtigt werden dürfen, die vom Betrieb der Beklagten ausgehen. Andere Geräuschquellen (Fließgeräusche der Nagold, Verkehrslärm u.a.) müssen eliminiert werden. Daher kann man nicht einen Pegelmesser auf dem Grundstück des Klägers installieren. Dieser würde notwendig auch die Nebengeräusche aufnehmen. Eine derartige Messung wäre nicht verwertbar.

 

Aktenzeichen: 5 U 137/13 (Landgericht Rottweil: 2 O 90/12)

 

Ergänzende Hinweise:

§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

 

§ 906 Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

 

Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.