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6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt einen Sektor- und Gebietsleiter der „PKK“ zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten

Datum: 13.07.2017

Kurzbeschreibung: 

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verkündete heute unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling sein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein Mitglied der sog. Kurdischen Arbeiterpartei („PKK“). Der 47-jährige Angeklagte, ein türkischer Staatangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a und b Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Dem Urteil waren 44 Verhandlungstage seit dem 22. November 2016 voraus gegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 33 Zeugen vernommen sowie zahlreiche Dokumente eingeführt.

Die seit 1993 in Deutschland verbotene und von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung eingestufte „PKK“ versteht sich als einzig legitimes Sprachrohr und Vertretung sämtlicher Kurden weltweit. Sie strebt einen staatsähnlichen „konföderalen“ Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak mit eigener Staatsbürgerschaft und eigenen Streitkräften an. Neben ihrem politischen Zweig verfügt sie zur Durchsetzung ihrer Ziele auch über militärisch strukturierte Guerillaeinheiten, die im Rahmen des seit 1984 geführten bewaffneten Kampfs vor allem im Südosten der Türkei Anschläge verüben, durch die vorwiegend türkische Sicherheitskräfte, immer wieder aber auch Zivilisten getötet bzw. verletzt werden. Zweck und Tätigkeit der „PKK“ sind daher u .a. darauf gerichtet, Mord und Totschlag zu begehen. Auch in Deutschland und weiteren westeuropäischen Staaten hat die „PKK“ unselbstständige Strukturen aufgebaut, die als untrennbarer Bestandteil der Gesamtorganisation und als Rückzugsraum konzipiert sind. Die in Europa hauptamtlich agierenden, weisungsgebundenen Führungskader werden mit der praktischen Umsetzung der von der Parteispitze getroffenen Entscheidungen in den Aufgabenbereichen Geldbeschaffung, indoktrinierende Propaganda und Nachwuchsrekrutierung befasst; durch damit verbundene Betätigungen tragen auch die in Deutschland agierenden „PKK“-Führungskader zur Förderung des bewaffneten Kampfs der Organisation in der Türkei bei.

Darüber hinaus ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Angeklagte als einer von vier Sektorleitern in Deutschland und im Anschluss daran als Führungskader in den Gebieten Dortmund und Düsseldorf betätigt hat. Der Angeklagte reiste im Juli 2006 ins Bundesgebiet ein und war bis zu seiner Festnahme am 16. Februar 2016 in Niedersachsen gemeldet. Er leitete von Mitte August 2013 bis Juli 2014 den „PKK“-Sektor Süd 2 mit Sitz in Stuttgart, um dann im Rahmen der Kaderrotation die Leitung des Gebietes Dortmund und daran anschließend im Sommer 2015 bis zu seiner Festnahme am 16. Februar 2016 die Funktion des Gebietsleiters von Düsseldorf zu übernehmen.

Der Senat hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten insbesondere berücksichtigt, dass es sich bei der „PKK“ um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung handelt und dass der Angeklagte über einen Zeitraum von 30 Monaten seine Kadertätigkeit ausübte. Strafmildernd wertete der Senat neben der langen Dauer der Untersuchungshaft vor allem, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und vor seiner Ausreise aus der Türkei als Angehöriger der kurdischen Volksgruppe persönlich Übergriffen des türkischen Staates ausgesetzt war.

Der Senat ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an (vgl. § 268b StPO).

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Aktenzeichen

6 -2 StE 11/16 – Oberlandesgericht Stuttgart

2 StE 11/16-6 – Bundesanwaltschaft

 

 

Relevante Normen

§ 129a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) - Auszug

Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) … zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

 

§ 129b Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)

Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

 

§ 268b Strafprozessordnung (StPO)

Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder einstweiligen Unterbringung zu entscheiden. Der Beschluss ist mit dem Urteil zu verkünden.



Links zu früheren Pressemitteilungen:

Pressemitteilung des Generalbundesanwalts vom 6. Juli 2016

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2016

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